Dia, Marmstorf, Rimini
Bei der Diagonale ist „Rimini“ von Ulrich Seidl als bester Spielfilm ausgezeichnet worden. So kann man es in der Presse lesen. Und dann sollte es auch auf der Homepage der Diagonale selbst stehen, finde ich.
Nun ist es ja so, dass man von Rimini mit einer kurzen Busfahrt ins wunderschöne San Marino kommt – und von uns in Eißendorf kommt man mit einer noch kürzeren Busfahrt ins wunderschöne Sinstorf, denn Marmstorf hat für die Heimspiele derzeit den namensgebenden Stadtteil verlassen und spielt gegenüber der ältesten Kirche Hamburgs am Friedhof vorbei und zwischen Feuerwehr und Gemeindehaus den Schlammweg runter sollte also unser Nachholspiel stattfinden.
Und dort waren wir zunächst inspiriert, denn im Schützenhaus fanden sich – neben Hinweisen, dass unsere üblichen großkalibrigen Schußeisen hier nicht zulässig seien sowie einem Leseexemplar der Goldenen Woche (Streit zwischen Helene Fischer und Andrea Berg?) – jede Menge Pokale, die wir gut als Ersatz für die bei uns vermissten nehmen könnten. Man muss halt die Plakette „Freundschaftsschießen 1990“ durch „Blitzpokalsieger 2013“ ersetzen, dann passt das.
Und was reimt sich auf „inspiriert“? – „Friert“. Kühl war es. Nachdem die Nebentür geschlossen wurde, waren die Bedingungen allerdings deutlich angenehmer, als die Fotos vom Vorwochenmannschaftskampf vermuten ließen. Wasser war da, Jeronimo hatte von einem Bäcker des Vertrauens noch ein paar Laugenprodukte im Angebot, Matthias eine Thermoskanne Kaffee, allen vielen Dank.
Ein weiterer Reim ist „biert“. Das ist zwar kein Wort in der deutschen Sprache, leitet aber auf Martin Bierwald über, der heute Schiedsrichter des Ganzen sein würde. Und so nahm er sie auf, die Mannschaftsaufstellungen.
Jens Ove – Holger Hebbinghaus (DWZ 2249, ELO 2281)
Jeronimo Hawellek (2221/2253) – Niels Jørgen
Adesh – Jan Hendrik Müller (2089/2118)
Christoph Rammé (2134/2151) – Matthias
Divyam – Jens Diekmann (2025/2061)
Nils Averhoff (1981/-) – Daniel
Marten – Peter Anderberg (1953/1979)
Andres Peschke (1825/1920) – Tareq
Wobei die genaue Aufstellung ja ähnlich wie gegen Union Eimsbüttel nicht so wichtig ist. Gegen Union spielen wir immer 4:4, gegen Marmstorf immer 4,5:3,5 mit abwechselndem Sieger. Das letzte Mal (vor Marmstorfs Aufstieg in die Oberliga) hatte Marmstorf gewonnen, also wären wir wieder dran.
Und weil das Ergebnis ja allen klar war, ließ es sich auch erst einmal gemächlich an. Wie immer passierte eine ganze Weile recht wenig. Am spannendsten aus Sicht des Schachlaien war die langweiligste Stellung bei Divyam. Offene c- und d-Reihen, Symmetrie, wenig marschierfreudige Bauern. Das liest sich nicht nur so ähnlich wie vor zwei Wochen, das sah auch sehr ähnlich aus. Damals gewann Divyam mit Schwarz, heute hatte er Weiß. Es war also die Frage, ob er gewann, weil er diesen Stellungstyp so bärig beherrscht oder weil schwarz okay ist.
Wir spulen ein wenig vor. An den vorderen Brettern tat sich wenig – auch wenn Holgers und Jens Oves Partie relativ viele Züge umfasste – und so einigte man sich auf Remis. Auch Luis wollte die oben gestellte Frage nicht abschließend beantworten und spielte ebenfalls Remis. Und da landen draußen einige Zugvögel, mal schauen. Ja, das war schön, leider haben wir so verpasst, was an Brett 7 passiert ist. Einige, die da waren, sprachen von einem komplett ungerechtfertigten Turmopfer ohne Not. Jedenfalls führten die Gastgeber nun erst einmal mit 2,5:1,5.
Aber die restlichen Bretter sahen gästefreundlich aus. Adesh hatte mehr Aktivität in einem Doppelturmendspiel mit asymmetrischen Bauern (abfgh gegen aefgh). Insbesondere der schwarze e-Bauer schien sehr optimistisch vorgeprescht und könnte zur Schwäche neigen. Matthias hatte einen klassischen Drachen – Weiß stürmte am Königsflügel, Schwarz auf der Damenseite, natürlich jeweils gegen die heterogen rochierten Könige, aber nach einer Ungenauigkeit von Christoph schien Matthias doch schneller zu sein. Daniel hatte sehr schnell mit Schwarz Überausgleich erzielen können, unter massivem Figurenabtausch wurde Weiß Doppelbauer und Isolani verpasst, jetzt im Endspiel kann man sich da ja mal draufsetzen. Und Tareq hatte eine vogelwilde Stellung – die weißen Bauern waren auf den hellen Feldern blockiert und die schwarzen Springer schauten schon einmal hungrig auf f3 und h3. Das ist ja alles sehr schön, aber irgendjemand würde doch auch nicht nur schön stehen, sondern am Ende gewinnen müssen.
Diese Aufgabe übernahm der Mannschaftsführer. Ein Ablenkungsspringeropfer konnte Christoph noch gelangweilt ignorieren, aber nachdem dann die lange Diagonale geschlossen werden konnte, gab es keinen Ansatzpunkt für Gegenspiel mehr (ich ignoriere gerade all die spannenden Varianten aus der Analyse) und die schwarzen Schwerfiguren konnten sich auf den weißen Monarchen und einige überforderte Verteidiger stürzen. Eine lustige Mattdrohung später war der Ausgleich in der Tat hergestellt.
Bei Daniel hingegen tat sich nicht so viel. Nils‘ aktivere Figuren glichen die strukturelle Schwäche aus, eine Überleitung ins reine Bauernendspiel sahen beide zwar potenziell als spielbar an, aber genau durchzurechnen war das nicht, und so einigte man sich, den Zwischenstand auf 3:3 zu schrauben.
Adesh konnte in der Zwischenzeit den vorwitzigen e-Bauern abstrafen und hatte nun im Doppeltur- *Tauschgeräusche* im Turm-Springer-Endspiel einfach erst einmal einen Bauern mehr und konnte kurze Zeit später Schwarz auch in einen Beinahe-Zugzwang stellen. Hier war es wirklich ein Spiel auf ein Tor und damit auf zwei Ergebnisse. Grund genug, um im Zeichen der Stärke das Remis einzufahren. Äh, Moment?!
Aber Adesh als Fan traditioneller deutscher Radiounterhaltung erinnerte sich an ein Zitat von Herbert Zimmermann aus Bern 1954: „Tareq, Du bist ein Fußballgott!“ Und so spielte Tareq dann auch, er trat auf alles, was sich bewegte und ließ dabei in einem Maße Gewinne aus, das nicht feierlich schien. Nur, was sollte der arme Kerl machen, wenn jeder auch nur halbwegs logische Zug gewinnt, nur auf jeweils völlig anderem Weg? Rechnen. Die Zeit von Schwarz lief runter. Die Stellung von Weiß aber auch. Und mit Zug 40 entschloss sich Tareq schlussendlich, nicht gemütlich auf einem Mehrbrett zu hocken, sondern investierte eine Figur für Königsangriff. Und dann noch potenziell einen Turm. Aber es war eben auch ein Königsangriff und auch wenn Tareq jetzt doch auf Genussmensch umschaltete und sich an der Partie ein paar Züge mehr ergötzte, als zwingend gewesen wäre, so war klar, dass alles Material zurückkommen würde. Mit Zinsen. Und dann immer noch Schwerfiguren in der weißen Rochade. Was Andres dann doch nicht mehr als Genuss ansah und aufgab.
Am Ende also das erwartete Ergebnis (*hust*) mit 5 Remisen und 3 Schwarzsiegen. Diese Saison ist black wirklich okay. Für die Heimmannschaft nahm Dr. Hawellek die Niederlage auf seine Kappe, er hatte Stellungen falsch eingeschätzt, als er sich auf Remis einigte. Ich denke obendrein, auch an Brett 1 hätte eher Schwarz gepunktet. Aber wir wollen uns nicht die schönen Köpfe unserer Nachbarn zerbrechen, sondern freuen uns, dass endlich ein Befreiungsschlag im Abstiegskampf gelungen ist. In den noch ausstehenden Runden gegen Bayern München, äh, St. Pauli II und dann tendenziell drei etwas schwächere Gegner (Königsspringer II und HSK IV und VI) müssen zwar trotzdem noch Punkte eingefahren werden, aber das erstmalige Verlassen der Abstiegsränge fühlt sich schon ganz gut an.