Dia zwei bleibt vorn dabei
Eine ungewohnte Situation in der Bezirksliga erfordert ungewohnte Maßnahmen. Die Situation: Dia 2 kann nicht mehr absteigen, kann aber noch aufsteigen. Die Maßnahmen: alle möglichen Spieler kündigen erst einmal an zu spät zu kommen oder kommen einfach ohne Ankündigung später. Ist das eine erfolgsversprechende Strategie?
Testgegner dazu war mit HSK XIII der Tabellendritte und eine Mannschaft, die selber noch etwas auf den Aufstieg schielen kann, wenn denn Tabellenführer HSK XI stolpert. Und HSKler sind natürlich mit strategischen Spielchen wenig aus der Ruhe zu bringen, man kennt mittlerweile alles. Entweder von Christian Zickelbein und anderen als Geschichte, oder aus eigener Erfahrung. Und wenn dann wie heute erfahrene Haudegen wie Siegfried Weiß oder Sreten Ristic dastehen, dann hätten wir vielleicht nicht so auf strategische Spielchen setzen sollen, sondern ganz normal Schach spielen?
Zwei andere erfahrene Haudegen standen leider nicht im Raum. Ralf Oelert und Martin Obst, mir und anderen sicherlich gut aus all den Jahren bekannt, waren für HSK XIII gemeldet, sind aber seitdem verstorben – zockt schön da oben – daher der Gast natürlich mit Ersatz an den hinteren Brettern und obendrein ohne Theo Gollasch, das etatmäßige Brett 1.
Und so ging der Kampf um 19 Uhr los, mit immerhin 6 anwesenden Diagonalen, von denen auch 3 rechtzeitig zum Aufbau da waren. Und ich weiß gerade nicht, ob wir schon zu 8t waren, als Mannschaftsführer Haschem sich wieder ganz auf die Mannschaftsführung konzentrieren wollte und in einer ereignis- und zugarmen Partie gegen Joachim Kossel (DWZ 1841) zum 0,5:0,5 einnetzte, hierbei vielleicht auch auf den in der Summe deutlichen DWZ-Vorsprung der Eißendorfer Recken schielend?! Für die sich vorbereitenden Fremdleser: Eröffnung war eine Abwandlung des Englischen.
Die zweite beendete Partie war dann an Brett 1. Siegfried Weiß (1765) konfrontierte Marten zunächst mit der Aufgabenstellung 1. b3, was letzteren überforderte (der Aufbau nach 3 Zügen hat in der Chessbase Big Base 100% für Weiß – aus allerdings gerade einmal 3 Partien), sodass er auf einmal taktisch zweifelhaft stand und mit einem Notopfer eines Springers seine Züge zu rechtfertigen suchte. Dieses war allerdings nach erster Analyse durchaus gut spielbar und auf einmal standen die weißen Figuren so blockiert, dass Siegfried ein Gegenopfer probierte, das dann nicht mehr so gut spielbar war. Die Abrechnung hätte am Ende Dame und zwei Bauern gegen zwei Läufer ergeben, Punkt für Marten, Punkt für Dia 2, 1,5:0,5.
Dritter war dann David „Akiba“ Hernandez, der mit dem von ihm eher mäßig geliebten Rubinstein-Franzosen konfrontiert lange Zeit wringen musste, aber es fiel aufgrund von plötzlichen Grundreihenmattdrohungen ein Bauer ab. Als dann noch eine Taktik per Abzug ermöglichte, eine Figur zu gewinnen, wollte Helmut Büchel (1558) nicht mehr weiterspielen. Der Figurenverlust wäre zwar sogar noch zu verhindern gewesen, aber nur um den Preis eines Generalabtauschs und dann komplett trivial verlorenen Bauernendspiels. 2,5:0,5
Lukas verdaddelte sich gegen Jörn Behrensen (1603) in der Eröffnung komplett und spuckte aus Jux und Dollerei gleich mal Material und Stellung. Mit einem soliden Wenigerbauern blus er dann zum Angriff und konnte genug Verwirrung stiften um statt eines wenigeren einen mehreren Bauern zu haben. Turm und drei Bauern (e, f, f) gegen Turm und zwei Bauern (g, h). Ein sicheres Remis wie jedes Turmendspiel, es sei denn, Lukas spielt. Souverän tauschte er einen f gegen g und auf einmal zwei starke verbundene Freibauern. Einige Züge später konnte sich Jörn dann zwischen drei Möglichkeiten entscheiden: matt gehen, Turm verlieren, Bauern verlieren und Turm tauschen. Er entschied sich für Variante vier: Hände schütteln, 3,5:0,5.
Michael spielte gegen Yevgen Blank (1591) lange Zeit unspektakulär und setzte sich in einem klassischen Feske einfach mal auf die Stellung drauf um zu sehen, was passieren würde. Nun, auch hier fiel ein Bauer ab – und dieser Bauer war ein freier Mann – und das gleichfarbige Läuferendspiel hat ja nicht den schlechten Ruf seines gemischtkolorierten Cousins. Michael, der nicht das erste Endspiel seiner Karriere hatte, zeigte dann auch in zierahnscher Souveränität auf, wieso das so ist: während Yevgen den Zentralfreibauer stoppte, entstand ein neuer am Königsflügel, der den Läufer kosten würde, und trotz falscher Farbe für das Eckfeld wäre dann abschließend am Damenflügel ein dritter unaufhaltbarer entstanden. Kam so dann aber nicht aufs Brett, statt dessen stellte das 4,5:0,5 den Mannschaftssieg sicher.
Marcel kam angekündigt etwa 30 Minuten später und setzte Andreas Kölblin (1671) dann einen Alt-Benoni vor, der nach dem zweiten Zug (1. d4 c5 2. d5 b5) erstaunliche 26 Treffer in der Big Base hat. Solcherart aus dem Buch fiel auf einmal der d5 um und auch hier war der Mehrbauer der Diagonale ein diagonaler Mehrbauer. Allerdings auch ein auf einmal unbekannt wieder verschwundener Mehrbauer. Nichtsdestotrotz hatte Marcel jetzt strukturellen Vorteil (Lxh3 gxh3) und holte sich dann erneut einen Bonusbauern. Dieser war jetzt im Läufer-Springer-Endspiel zu verwerten, ein hartes Stück Arbeit, aber er machte Fortschritte, und als dann eine Springergabel den Läufer gewann und der auf einmal loslaufende weiße Freibauer gerade noch bremsbar war, war das 5,5:0,5 besiegelt.
Tobias kam ebenfalls angekündigt ebenfalls später, aber deutlich vor Marcel, und kam gegen Sreten „Zockmeister“ Ristic (1742) anständig aus der Eröffnung und konnte langsam deutlichen Vorteil generieren. Aber abgesehen davon, dass die Stellung für eine Sretenstellung ungewöhnlich normal aussah, war es auch komplett normal, dass nur einer am Brett Zeit verbrauchte und das war Tobias. Leider kostete die Zeitnot bei der Kontrolle dann die gute Stellung und das entstandene Endspiel zu verteidigen – es kostete wieder Zeit. In bereits sehr fragwürdiger Situation hielt Tobias dann mit weniger als einer Minute Restbedenkzeit (Sreten: 1h 20 min) die Uhr an, Ehrenpunkt zum 5,5:1,5.
Und wie in letzter Zeit so oft, war es Rainer, der am meisten von seiner Partie hatte. Und erneut deutete es sich früh an, dieses Mal entschied er sich gegen den Franzosen von Christian Tegethoff (1456) für die Abtauschvariante und beide symmetrierten erst einmal so vor sich hin. Da musste man erst einmal nicht auf die Partie achten, so der irrtümliche Ansatz der Betrachter. Einen Schluck leckeren Getränks später schaute man aufs Brett und traute seinen Augen nicht: ein schwarzer Turm stand auf h1, eine weiße Dame auf c6 bei langer Rochade schwarz, was war hier los? Im Zweifel wirkte schwarz etwas souveräner, aber hier musste man aufpassen, dass nicht plötzlich eine Taktik, hoppala, da war doch ein Abzug, und schon hat Rainer eine Figur mehr. Diese wandelte sich dann in einen Turm, aber das klingt klarer, als die Stellung es war, mit schwarzer Dame auf f2 (und Mattdrohung auf c2) plus Freibauern auf e3 musste man aufpassen, dass nicht doch noch vielleicht… am Ende nichts vielleicht. Eine bessere Alternative für Schwarz hätte vielleicht bedeutet, den Bauern für eine Figur zu geben und dann mit Wenigerqualität geknetet zu werden, aber will man sich das bei einem entschiedenen Kampf abends antun? Somit 6,5:1,5.
Das Ergebnis war deutlicher als erwartet oder auch erhofft und vieles lief einfach gut für uns. Nicht zuletzt die vielen Glücksfälle in Stellungen wo auf einmal ungeplante Dinge gingen. Wir wollen aber auch nicht an Eides Statt leugnen, dass einige von uns teilweise bemüht waren, spielbare Züge zu finden, und somit zumindest ein Teil des Ergebnisses selbstverschuldet ist. Drei Runden vor dem Ende gibt es nun nur noch zwei Aufstiegskandidaten in der Liga, HSK XI und Diagonale II – und diese treffen bereits am 27. 4. aufeinander, dort wird es wahrscheinlich zu einer Vorentscheidung kommen, haben beide Mannschaften danach doch eher lösbare Aufgaben. Vorteil allerdings beim HSK, einen Mannschafts- und diverse Brettpunkte sind sie voraus. Und nominell um einiges besser sind sie auch. Also bitte Daumen drücken.
Ein großes Danke noch an Rainer J, ich musste zu Kampfbeginn beim Kaffeekochen die letzten Reserven der Schule aufbrauchen, er brachte ein neues Paket zum Hinstellen. Und, auch wenn sich niemand beschwert hat, zum Abschluss noch eine kleine Entschuldigung an den HSK für die teilweise nicht idealen Spielbedingungen. Nicht alles, aber doch ein Teil davon, geht auf unsere Kappe und hätte so nicht sein müssen. Und ganz nebenbei sind an diesem Abend auch die Eintritte diverser junger Spieler zu verzeichnen gewesen (Warnung: teils mit dem Berichterstatter verwandt). Die werden zwar noch 10 Jahre oder so brauchen, bis sie die Mannschaftskämpfe mitspielen, aber ein gutes Zeichen ist es ja.