Eine Lehrstunde
Zweite Runde Dia II in der Kreisliga, Heimpremiere. Weiterhin gelten wir als Aufstiegsfavorit Nummer 1 und der heutige Gegner St. Pauli VIII dürfte normal kein Stolperstein sein. Die hatten auch gehörig Respekt und kamen erst einmal gar nicht (okay, das hatte mehr mit einer Bombenentschärfung irgendwo in Nordelbien zu tun, die Verkehrschaos durch die gesamte erweiterte Innenstadt ausstrahlte). Aber ab 19:30 konnte dann endlich an 8 Brettern gekämpft werden, was kurzzeitig Hoffnung auf das von Doppelfan Jens F. anvisierte 8:8 gab. Aber was dann folgte, war eine Lehrstunde.
Wir gingen gut aufgestellt in die Runde. Obwohl Haschem und David wegen eines Landesligaeinsatzes damals in Runde 2 fehlten und auch Andrei wegen Nachholpartien Vereinsmeisterschaft verzichtete, waren mit Said, Marcel, Etienne und Marten noch vier mit Landesligaerfahrung über, und auch Andreas, Armin, Michael und Rainer L. haben schon höherklassig erfolgreich gespielt. Im Schnitt waren wir 208 Punkte besser eingestuft, am engsten war es bei Andreas (86 mehr), am klarsten bei Marten (452 mehr). (Ich habe die Aufstellungen mal scherzhaft in meine alte Prognosetabelle geworfen, die erwartete 6 Brettpunkte und 1,95 Mannschaftspunkte) Dazu noch das blaue Auge gegen Wilhelmsburg, das uns gezeigt hat, dass die Mehr-DWZ nicht automatisch gewinnt, dazu noch durch das Verkehrschaos zum Teil abgehetzte Gegner, da steckte Potenzial im Kampf.
Und nun kam die Lehrstunde „Was man als Favorit alles falsch machen kann“. Vieles: Mit Schwarz das Spiel von vornherein nicht wirklich auf Gewinn anlegen sondern nach dem Remishafen Ausschau halten. Eine gute Stellung zu passiv spielen weil sonst Restrisiken verbleiben und dadurch Komplikationen, in denen sich besseres Spiel vielleicht durchsetzen könnte, vermeiden. Umgekehrt kann man natürlich auch eine Ex-und-Hopp-Münzwurf-Variante spielen, die gar nicht not tut. Oder ein Remis machen, weil die anderen es ja schon richten werden. Wir hatten wirklich alles dabei, teils mehrfach.
Aber unsere Gegner von St. Pauli, trotz der Weltreisenwidrigkeiten weigerten sie sich eben, allzugrobe Fehler zu machen. Und so gab es nur zwei ordentliche Partien (Michael spielte souverän, Andreas stand bis zuletzt besser und spielte ein Endspiel auf Gewinn, bis eben nichts mehr ging). Und wenn die Heimmannschaft überwiegend dödelt – war es Arroganz? War es das ungewohnte Favoritengefühl? – und die Gäste und Außenseiter sich wehren, dann kommt eben eine „kleine Sensation“ (Zitat St.-Pauli-Homepage) zustande, und der Favorit verliert 3½:4½ bei nur einer individuellen Siegpartie, und auch nicht jedes Remis war von den Gästen erkämpft, manchmal mussten auch wir um den halben zittern. Eine verdiente „Sensation“, muss man sagen, denn beide Mannschaften zeigten heute eine geschlossene Leistung, nur auf unterschiedlichem Niveau. Und die heute besseren haben gewonnen – und zwar mit Tugenden, die wir eigentlich bei uns im Verein für uns reklamieren.
Für uns heißt es Mund abwischen, der Aufstieg ist natürlich immer noch möglich, und muss auch das Ziel bleiben. Dazu muss der Rest der Saison aber anders angegangen werden, sonst sind wir nächstes Jahr wieder Topfavoriten in der Kreisliga.