Erste Mannschaft mit schmerzhafter Niederlage

Gestern ging es für unsere Truppe zu einem wegweisenden Auswärtsspiel gegen die zweite Mannschaft der Schachfreunde. Auf dem Papier waren wir wohl klarer Favorit. Nicht nur, weil wir an den meisten Brettern die höhere Wertungszahl aufzuweisen hatten, sondern auch, weil die Schachfreunde in der Tabelle den letzten Platz belegten. Dennoch war uns bewusst, dass kein leichter Kampf bevorstehen würde. Zum einen, weil unsere Gegner mit einem Sieg am letzten Spieltag gegen den bis dato führenden HSK ein Lebenszeichen gesendet hatte, zum anderen, weil unsere Gegner einige gefährliche Jungspunde aufgeboten hatten. Dennoch war ein Sieg fest eingeplant und kaum einer ahnte, zu was für einem gebrauchten Sonntag sich der Tag entwickeln sollte…

Aber der Reihe nach: Alles begann mit der Aufstellung. Captain Matthias musste für das Spiel krankheitsbedingt absagen (oder wollte er Martins standardmäßige Jammern bei jeder Schwarzpartie verhindern?), für ihn sprang kurzfristig Said in die Mannschaft. Damit ergaben sich die Paarungen (aus Sicht von Diagonale):
Ich (Christoph) – Florian Kull
Niels Jorgen – Matthias Hermann
Christian – Gerrit Oelmeyer
Gregor – Jonas Simon Gremmel
Martin – Oliver Steinmetz
Daniel – Fritz Fegebank
Said – Clemens Mix
Andrei – Tino Paulsen

Zwei Partien endeten ziemlich schnell friedlich. Christian schien aus der Eröffnung mit einer guten Stellung mit Läuferpaar rausgekommen zu sein. Nachdem es sein Gegner dann aber schaffte, die weiße Struktur zu entwerten, gab Christian die Partie Remis. Gregor zog seine Eröffnung am Damenflügel auf. Sein Gegner stellte sich aber sehr harmonisch hin und spielte auf sein Übergewicht im Zentrum. Zwischendrin gefiel mir die schwarze Stellung gar nicht, aber Gregor gelang es, den gegnerischen Raumvorteil einzudämmen und in ein Endspiel abzuwickeln, das für beide Seiten kaum zu gewinnen war. 1:1 – als Zwischenergebnis war zwar keine Katastrophe, aber da wir an den Brettern 3+4 traditionell mehr als 50% holen, mussten wir nun woanders auf die Suche nach vollen Punkten gehen.

Martin – als Ersatzspielführer – ging mit gutem Beispiel voran. Er besaß die ganze Partie über mehr Raum und die flexiblere Struktur. Mit einigen taktischen Finessen krönte er dann seinen Angriff am Königsflügel mit einem Figurengewinn, wonach er die Partie sicher verwertete. 2:1

Andrei erreichte in seiner Partie eine typisch-königsindische Struktur. Er verzichtete auf den typischen Plan mit f5-f4 nebst g6-g5-g4, um stattdessen die f-Linie zu öffnen und den gegnerischen König auf f1 anzugreifen. Dieser brachte sich aber schnell in Sicherheit und in der entstandenen Struktur ohne eigene Hebel hatte er die undankbare Aufgabe, sich passiv gegen den weißen Angriff am Damenflügel zu stellen. Es kam aber, wie es kommen musste, Weiß fand einen Durchbruch und Andrei blieb nichts anderes als die Partie aufzugeben. 2:2

Said opferte in der Eröffnung seinen wichtigen e4-Bauern, um seinen Figuren offene Linien zum Angreifen zu geben. Die schwarze Struktur war aber dermaßen fest (u.a. Bauernkette f7-e6-d5), dass die Kompensation eher dünn wirkte. Said bemühte sich bis ins Endspiel, ausreichende Aktivität zu erzeugen, doch spätestens nach einem Rechenfehler im Turmendspiel war es ein Kampf gegen Windmühlen. 2:3

Ich selbst wurde von meinem Gegner mit 1.d4 d5 2.c4 Lf5!? überrascht. Da ich selbst auf der Suche nach einer Schwarzeröffnung gegen 1.d4 schon sämtliches Kraut gespielt habe, wusste ich, dass 3.cxd5 Lxb1 4.Da4+ c6 5.dxc6 Sxc6 6.Txb1 sehr unangenehm für Schwarz ist, da Weiß einfach das Läuferpaar bei offenem Zentrum bekommt. Mir gelang es, den Vorteil aufrecht zu erhalten und Schwarz ließ sich irgendwann auf eine forcierte Variante ein, die in einem interessanten 4 vs 3 Bauern an einem Flügel, bei ungleichen Läufern, aber Türmen auf dem Brett mündete.

Ohne allzu tiefe Analyse, deutet meine Chessbase-Suche nach ähnlichen Endspielen darauf hin, dass die Stellung tatsächlich sehr gewinnträchtig ist (was sich mit meiner eigenen Einschätzung während der Partie deckt), weil der schwarze Turm passiv an den f7 gebunden ist und Schwarz auch nicht so schnell aus der Situation rauskommt. In der Folge gelang es mir tatsächlich schnell Fortschritte zu machen und – indem ich es irgendwann schaffte, die Ungleichfarbigen mit einem kleinen Trick abzutauschen – in ein gewonnenes Turmendspiel abzuwickeln. 3:3

Bisher waren alle Partien relativ bald nach der ersten Zeitkontrolle entschieden worden. Die letzten beiden Partien wurden allerdings eine richtige Marathon-Veranstaltung.
Daniel holte sich in der Eröffnung die schwarzen Felder und stand immer sehr bequem. Auf der Suche nach Ideen, seine Stellung weiter zu verbessern, lavierte er eine ganze Weile umher, lehnte mehrere Remisangebote ab und entschied sich irgendwann im Mannschaftssinne (zu dem Zeitpunkt sah es eher gefährlich für uns aus), die Brücken hinter sich abzubrechen und volles Risiko zu fahren. Sein routinierter Gegner wehrte aber alle Drohungen ab, brach selbst im Zentrum durch und hinterließ Daniel eine Stellung, die dann wohl einfach nicht mehr zu verteidigen war. 3:4

Als allerletztes spielte noch Niels Jorgen. Er hatte (mit Schwarz) aus der Eröffnung heraus eine Stellung erlangt, in der er selbst in keiner Verlustgefahr war, aber ohne Gefahr auf den vollen Punkt drücken konnte. Als Preis dafür musste er allerdings alle Figuren bis auf ein Turmpaar abtauschen. Niels Jorgen probierte alles, um seine bessere Struktur in etwas Greifbares zu verwerten, gewann einen Bauern, probierte jeden erdenklichen Winkelzug, aber musste letzten Endes seinem Gegner Anerkennung zollen, der jeden Gewinnversuch abwehrte, sich trotz schwieriger Verteidigungsstellung nie in Zeitnot bringen ließ und am Ende das Remis rettete. Am Ende des Tages stand also eine unerwartete 3,5-4,5-Niederlage. Nach Hätte-hätte-Fahrradkette ließe sich wieder über alle möglichen Ereignisse im Konjunktiv diskutieren („…, hätte Matthias gespielt; hätte Daniel das Remis angenommen;…“), aber letzten Endes war die Niederlage wohl einfach verdient. In drei Wochen (25.2) geht es zuhause gegen Großhansdorf, die zwei Mannschaftspunkte vor uns liegen. Wäre kein schlechter Zeitpunkt, mal wieder einen Sieg einzufahren!
Christoph

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