Ha-Ha-Ha-Ha-Ha gegen Ha-Ha (oder: mehr Schein als Sein)
Saisonstart für die zweite Mannschaft der Diagonale in der Kreisliga. Und selten war man sich ob eines Saisonzieles so offensiv einig: hier muss ein Aufstieg her. Den Abstieg letztes Jahr hatten wir nun selber verbockt, aber nachdem wir jetzt noch ein paar zusätzliche Spieler haben, entweder neu oder durch Aufstockung der ersten Mannschaft hinzugekommen, liest sich das alles nicht wie eine Kreisligamannschaft. Mit Andrei, Marcel, Dave, Haschem und Marten sind zum Auftakt fünf Spieler mit Landesligaerfahrung im Kader, Etienne wird diese Saison dazustoßen, und Andreas und Armin haben auch schon erfolgreich in höheren Klassen Klötzchen verschoben. Und mehr als 100 DWZ über dem zweitplatzierten – die Favoritenrolle ist selbst bei den regelmäßig zu erwartenden Ausfällen durch Ersatz in der Ersten nicht ernstlich zu verleugnen.
Der Gegner heute war Wilhelmsburg II. Im Schnitt lagen wir 250 DWZ (sogar noch etwas mehr) höher, lediglich Andrei an 1 hatte eine nominell ausgeglichenere Partie zu erwarten. Eine neue oder zumindest seit Jahren ungewohnte Situation für viele von uns, sind wir es doch mehr gewohnt, gegen 250 bessere ins Wasser gesetzt zu werden „mach mal“. Aber wie macht man Favorit? Am Besten erst einmal in Ruhe losspielen und die Situation betrachten.
Situation: auch namentlich waren wir vorn dabei: Cotaru-Czepulis-Döderlein-Haschimi-Hernandez-Heymuth-Holst-Hübel. Etwas „h“-lastig das ganze. Unsere Gegner hatten nur zwei H-Heinis (Höfer und Happ). Damit wäre dann die Überschrift erklärt.
Und die Sache mit dem „In Ruhe losspielen“ lief auch nicht so richtig an. Andreas, dem eigenen Wesenszug nach ja auch eher ein Zocker als ein Zenbuddhist, klopfte erst einmal richtig los, ebenso sein Gegner (Florian Happ, 1408 DWZ). Und Mann, waren da ein paar Klopfer auf beiden Seiten dabei. Primär aber zu unseren Ungunsten – nach 30 Minuten stand Andreas mit 2 Figuren gegen Turm und zwei Bauern zwar materiell spielbar, positionell suchte man allerdings nach einer Perspektive. Und da dieser Bericht ohne Spannungsbogen auskommen muss: Andreas verlor später noch eine Figur, und trotz massiver Gegenwehr beider Spieler war das nicht mehr auszugleichen und er musste die Segel streichen, 1:0 für Wilhelmsburg.
Allerdings nicht zeitlich, denn kurz zuvor war Marcels Partie beendet. Als Schwarzer baute er sich zunächst positionell mit Blick auf den Königsflügel auf, ließ seinen König allerdings unrochiert, was vom Weißen (Peter Jacobi, 1686) als Aufforderung für einen Angriff verstanden wurde. Der allerdings dank einer Überlastung und eines Zwischenschachs dann eine Figur kostete, die Marcel dankend mitnahm und dann auch nicht wieder aus den Händen gab. Die einzige Klippe, den offenen König möglichst a tempo zu schützen, wurde umschifft, der gegnerische König dann selber an die Frischluft gesetzt und aus war’s. 1:1.
An Brett 8 bei Marten gegen Uwe Lübbert (1305) kam es zu einem frühen Bauerngewinn für Marten, der dann an beiden Flügeln versuchte, Zangen anzusetzen, was zu einer kuriosen Stellung führte, in der a- und h-Linie offen, alle Türme abgetauscht, alle Leichtfiguren und Damen hingegen noch auf dem Brett waren. Kurz danach wurden aber auch noch die Damen getauscht, ein zweiter Bauer fiel um, schließlich eine Figur, das war dann zu viel, 2:1.
Souverän war Haschem gegen Patrick Höfer (1386). Ruhiges aber druckvolles Spiel führte zu einer für den Weißen schwierigen Situation, in der dann Material wegkippte, und wenn Haschem angreifen darf und etwas mehr hat, dann ist er nicht zu zügeln, 3:1.
Armin verfolgte hingegen gegen Andreas Will (1506) einen gänzlich anderen Ansatz, so schien es zumindest, indem er zunächst einmal versuchte, jeden seiner Bauern auf die sechste Reihe zu bekommen, eventuell mit dem Plan, man weiß es ja nicht genauer, diese Phalanx über fünfte, vierte, dritte, zweite Reihe zur Umwandlung zu führen. Andreas Will spielte aber seine Klötze auch ordentlich und so war zunächst wenig los, bis dann eine Unaufmerksamkeit auch hier Material kostete, zu viel, 4:1 durch Armin.
Ándrei spielte eine zumindest für ihn normale Partie – alles solide, der Gegner Sascha Schreier (1791) hatte etwas Initiative, aber wehe, sie lässt nach, dann steht Andrei auf dem Sprung. Sie ließ nach, aber Andreis Sprung war dann doch etwas zu kurz, mehr als Remis sprang hier nicht heraus, aber 4½:1½, der Sieg war gesichert.
David spielte gegen Jörn Werner (1579) zunächst so los, wie man es von ihm kennt. Bekannte Eröffnungsstrukturen, in denen er weiß, wo die Hebel sitzen, und schwupps stand ein Sargnagelbauer auf f6 mitten in der schwarzen kurzen Rochade. Während die Zuschauer den Punkt schon einmal gedanklich abhakten, verschwand dieser Bauer jedoch urplötzlich, und einiges andere Angriffspotenzial ebenso, und statt eines einfachen Sieges stand mit zwei Bauern weniger und fragwürdiger Struktur ein langes defensives Endspiel an, in der Dave jedoch auf einmal Remis geboten bekam. Positionell ein klares „ja“, bevor der Gegner bei „Rem“ ist – aber wenn er in solcher Stellung anbietet, besteht die Chance, dass er keine Idee hat, wie er seinen Vorteil verwerten könnte, und wer Dave kennt, weiß, dass er stets eine Idee hat, den Gegner dann noch zu behumpsen. Also Remis abgelehnt, Ideen ausgepackt, und in Verbindung mit schwarzer Zeitnot wurde es unerwartet und doch eher glücklich noch ein ganzer, 5½:1½.
Etienne zeigte zunächst eine sehr überzeugende Partieanlage gegen Alexandar Vesovic (1486) – in einer fast symmetrischen Stellung war jede Asymmetrie zu seinem Vorteil, und da setzte er sich dann genüßlich drauf, bis er eine Qualität abräumen und mit seinen Schwerfiguren eindringen konnte. Wie genau das ganze dann nicht gewonnen wurde, sondern zu einem Remis abwickelte, wird noch zu klären sein. Zeitnot und die lange Spielzeit in Verbindung mit noch etwas Praxismangel werden hier aber angeführt. 6:2.
Am Ende also der erwartet und erhofft klare, „standesgemäße“, Sieg. Allerdings nicht mit der erhofften Souveränität, in eine Partie hineinzugehen und die Weichen auf Sieg stellen ohne es zu überdrehen – das hatten die meisten von uns seit Jahren nicht mehr und war ungewohnt. Hier werden wir uns umstellen müssen, wenn es auch so weiter gehen sollte, denn die Höhe des Sieges heute war doch zu hoch für die gezeigten Partien, Wilhelmsburg sah besser aus als jetzt in der Tabelle. Und letztlich kam es nur auf die Namen an, nicht auf das Schach: Partien ohne H-Spieler enden halt remis, mit einem H-Spieler gewinnt der, mit zweien wird halt Schach gespielt.
Zum Glück haben wir in Daniel, Manfred, Said, Hendrik und Joachim da noch Reserven.