Läuft bei uns
Läuft bei uns – und zwar manchmal zu gut. Denn der liebe Herrgott, oder zumindest irgend ein Schachspieler, was sowas ähnliches ist, hat die siebte Runde parallel zum Hamburg-Marathon gelegt. Das gibt für die Weltreise nach Eimsbüttel nicht nur logistische Probleme – Straßensperren dräuten – sondern auch logistische Probleme, wollten doch einige von uns (Matthias W. und Christoph K.) mitlaufen. Und das an einem Wochenende, an dem eh schon die gesamte Besetzung sehr dünn angekündigt war. Nun, eine Anfrage an Union nach Vorverlegung wurde versandt, und dort war man grundsätzlich offen, allerdings war am Ersatztermin eine Pokalrunde, und da Union zur Zeit der Anfrage noch nicht wissen konnte, dass sie einen Tag vorher ausscheiden würden, scheiterte die Verlegung. Aber Matthias the Mannschaftsführer schaffte es dennoch, eine Aufstellung mit 8 Spielern zu malen.
Dabei half, dass Matthias zwar selber wie 52 aussehen mag, sich aber wie 25 fühlt, und deswegen seinen Laufanteil (insbesondere vor dem Hintergrund von Familie und Firma) mitnehmen wollte, andererseits Christoph wie 25 aussehen mag, aber im Körper eines 52-jährigen steckt und lieber absagte. Womit er uns zusagte. Was uns zusagte. Womit alles gesagt wäre: wir spielen als Niels Jørgen, Christian, Christoph, Martin, Daniel, Marten, Etienne, Said. Dachten wir zumindest bis Sonnabend. Dann aber klagte uns Said sein Laid, dass er nämlich krankheitsbedingt nicht würde spielen können. Nun also die Suche nach Reserve. Wobei eigentlich nur die Kandidaten der zweiten Mannschaft in Frage kamen – und damit würden wir ihnen nach TO einen nicht spielberechtigten Spieler in der schon gespielten Runde verpassen und das Ergebnis würde zu einem 0:8. Waren aber alle bereit hinzunehmen (es half, dass das Originalergebnis ½:7½ war). Nur konnte auch von denen keiner. Also waren wir zu siebt. Said wurde gestrichen und Matthias an 4 eingesetzt – was einerseits vier Spieler ein Brett nach unten verschob, andererseits Matthias unter moralischen Druck setzte, nach Abgabe des Marathonstaffelstabs schnell rechts abzubiegen und zum Hamburg-Haus weiterzujoggen um doch noch schnell ans Brett zu kommen, zu gewinnen, und zum Zieleinlauf der Staffel wieder weg zu sein. Ein enormer Druck, doch so viel sei verraten – wie schon so oft am Schachbrett, so konnte Matthias auch im realen Leben dem Druck standhalten.
Womit folgende Partien angesetzt waren: Niels Jørgen gegen Andreas Förster (DWZ 2114, Elo 2206), Christian gegen Gerrit Voigt (2122/2176), Christoph gegen Holger Henrich (2114/2194), Freddy Freylos gegen Lars Kempcke (1998/-), Neu-Elo-2000er Martin gegen Ralf Adloff (2052/2084), Daniel gegen Erich Kirschneck (1994/2040), Marten gegen Holger Strobel (2099/2175) und Etienne gegen Detlev Jarnuczak (2012/2002). Wie nicht ganz selten sind wir oben strong und unten Betong. Nur dass eben Brett vier oben und leer ist. Diplompfeife wie so oft Andreas A. aus H., der auch heute die Karten wieder stecken und die Spieler ihr Spiel spielen ließ, ganz souveräne Leistung.
Niels Jørgen und Andreas fragten erst einmal ihre Theoriekenntnisse zu 1.e3 g6 2.h4 h5 ab – wer war hier auf dem neuesten Stand? (Vorgängerpartien beinhalten u.a. Sipke Ernst-Matthias Roeder remis, Vlissingen 2003). Allerdings kam schnell eine Neuerung von NJ, die gekontert werden wollte. Christian stand nach 5 Zügen auch zumindest nicht auf Verlust, Christoph hielt seine Eröffnungskenntnisse geheim, indem er Dinge auspackte, die nicht so doll waren, Matthias kam nicht, und auch im hinteren Bereich passierte zunächst einmal nichts besonderes.
Erste majorale Äktschen dann an Brett 7: Marten wollte sich nicht zuschieben lassen und opferte einen Bauern für Angriff gegen den rochierten schwarzen König. Machte viel auf, tauschte aber auch viel ab. Christoph stand inzwischen schlechter, NJ auch nicht so zwingend wirklich solide, Etienne kam ebenfalls etwas in die Passivität – als Pluspunkt stand der Gegner allerdings auch passiv und Etienne hatte ein Läuferpaar. Martin und Ralf schachtelten etwas ihre Bauern halm, da ging wenig, allerdings hatte Martin einen Pseudo-Isolani (d5 kann theoretisch noch vom c2 irgendwann gedeckt werden, allerdings ging eine gegnerische Bauernkette bis c4 – wir konnten vor Ort nicht lösen, ob das begrifflich nun ein Isolani ist oder nicht oder ein ganz anderer Ausdruck existiert). Christian und Daniel standen hingegen solide.
Machen wir weiter mit Brett 7: das Opfer war, zumindest in der praktischen Partie heute, korrekt, und schwarz musste sich einiger Drohungen und Felderschwächen erwehren. Weiß war allerdings nicht bewusst, dass er gut stand, er hoffte auf Remis, während die Computer schon ein fettes Plus anzeigen. Holger bot eine mögliche Zugwiederholung an, die Marten allerdings ungesehen ausschlug, statt dessen auf Angriff setzte, die Stellung zu -0,8 umwandelte und jetzt endlich auf Gewinn spielen wollte. Aufgrund des Details, dass ein Turm, der von f8 nach h8 zieht, danach nicht mehr auf f8 steht und somit andere Figuren das Feld belegen können, fiel eine Figur um. Bumm. 0:2. Läuft bei uns.
Niels Jørgen stand inzwischen ziemlich übel. Andreas würde einen Bauern gewinnen können, ließ sich aber Zeit, um das unter günstigen Umständen zu tun – völlig korrekt – bekam dann aber Respekt vor der eigenen Courage und NJ im allgemeinen und machte ein Angebot, das Niels nicht ausschlagen konnte. ½:2½. Etienne stand inzwischen ganz solide, und nach einem Generalabtausch diverser Figuren sogar ein wenig besser, weil besser koordiniert. Nach dem Audi in den letzten Runden war er allerdings ganz froh, das Spatz-Hand-Taube-Dach-Zugwiederholungsspiel spielen zu können. Gute Leistung, 1:3, aber ein 6:2-Sieg würde das nicht mehr. Aber eine 6:2-Niederlage wohl auch nicht, denn während Martin weiterhin unter wenig Zeit bei ihm und Gegner die Stellung knetete, was gut gehen konnte oder nicht, hatte Christoph seine zwischendurch ziemlich gurkige Stellung gut zusammengehalten und stand jetzt solide, vielleicht sogar einen Hauch aktiver. Ebenso ließ Daniel nichts wirklich anbrennen, er war klar der mit dem Vorwärtsdrang, allerdings sahen die Laienaugen nichts Zwingendes. Und Christian? Nun, Gerrit sah sich genötigt, eine Qualität für etwas Aktivität zu geben, da sonst einfach nur ein Bauer ohne alles umgefallen wäre. Qualle ist Qualle, aber beide Königsflügel offen und der weiße Springer auf f5 stand bauerngedeckt bärenstark. Wahrscheinlich gewonnen für schwarz – also Christian – aber in einer praktischen Partie alles andere als klar und einfach.
Nur dass jetzt auch Union ein Überseher passierte, wie zuvor Diagonale an Brett 7, und mit einem einfachen Doppelangriff mit Schach fiel eben jener Springer um. Und mit Turm weniger gegen Christian zu spielen hat zwar vor einigen Jahrhunderten Ralf Urban probiert – aber der war gescheitert, und so gab Gerrit lieber auf, es stand 2:3. Und die letzten drei Partien befanden sich alle in Zeitdruck, mit je etwa 3 Minuten für etwa 5 Züge in entscheidenden Phasen.
Als erstes war Christoph fertig. Etwas aktiver: ja, aber nach ein wenig Manövriere hatte er Angst, zu überdehnen, und urplötzlich stand ein ungleichfarbiges Läuferendspiel auf dem Brett, das man ziemlich einfach gewinnen konnte – wenn der Gegner sich 20 Züge lang auf Kh8-h7-h8-h7 beschränkt. Würde Holger mehr tun, dann aber nicht. 2½:3½. Schlechte Nachrichten inzwischen bei Martin: mit dem letzten Zug vor der Zeitkontrolle hatte er die Stellung auf eine Art festgelegt, dass eigentlich nur noch schwarz spielen kann. Noch lange nicht verloren, aber eben das Spiel auf die falschen zwei Ergebnisse. Martin bot aber einfach mal remis, und der Gegner nahm an – ein Zug mit ?!, aber man verlässt sich auf den letzten Mann, dort war nichts los, dort konnte nichts passieren.
Und Daniel saß nun an diesem Brett, Remis ginge sofort, aber wäre in etwa so wertvoll wie ein kleines Steak oder eben auch eine Niederlage. Also probierte Daniel etwas herum, gab einen Bauern für Struktur – und bekam tatsächlich Initiative, bei allerdings bei stark reduziertem Material. Während Daniel so rödelt, kann der Leser gerne einen Bagel verspeisen, das dauert jetzt etwas.
Bei Dame und Springer, sowie gleich vielen Bauern, auf beiden Seiten denkt man an Endspiel, und letztlich war es das auch. Man muss natürlich immer aufpassen, dass eine der Damen nicht anfängt, alles kaputt zu machen. (Die Möglichkeit, hier chauvikassenpflichtige Witzeleien zu bringen, lasse ich ungenutzt verstreichen.) Zunächst gab weiß den Bauern zurück, um selber Angriffsspiel zu erhalten, was aber nicht sofort durchschlug. Aber Erich bot zusätzlich einen Springertausch an. Und dann wäre reines Damenendspiel, eine Disziplin für sich. Wobei Daniel dann entdeckte, dass er in dieser Stellung tatsächlich mit der Dame alleine, sowie einigen zufällig verstreuten Königsflügelbauern, tatsächlich einen Mattangriff simulieren kann. Tat er dann auch. Nur konnte jetzt Daniel jederzeit „bei Bedarf“ unter Bauernopfer Damentausch erzwingen und ließ einen Bauern laufen, bis er aus dem Königsquadrat heraus war. Weiß wollte sich das nicht zeigen lassen, schlug den Bauern – und ging matt. 4:4
Ein Punkt, mit dem wir mehr als zufrieden sein können. Läuft halt bei uns. Mit 0:1 kampflos gestartet, an den restlichen Brettern leicht beaußenseitert – da kann man das hinnehmen. Obendrein lassen sich zwar noch recht einfach Ergebnisse konstruieren, mit denen wir trotz unserer 7 Mannschaftspunkte absteigen können, diese erfordern allerdings dermaßen viele Außenseitersiege in anderen Partien, dass das Ligaorakel die Wahrscheinlichkeit dafür als praktisch nicht existent ansieht. Also wieder mal eine Saison im erweiterten Mittelfeld – was aber dieses Jahr, dank der Personalnot quer durch die Mannschaften – eine durchaus sehr gute Leistung ist. Ebenso sehr gut die Leistung von Daniel, der quetschte, bis tatsächlich Saft kam, aber auch wäre kein Saft gekommen, nur zu loben. Weniger zu loben Brett 7. Was hätte man heute erreichen können mit einem guten Spieler dort. Oder mit einem guten Spieler an Brett 4. Andererseits, was hätte an den anderen Brettern nicht alles schief gehen können ohne gute Spieler.
Über die Suche nach dem Nach-Match-Speisorant sage ich nichts. Außer dass meine Chefin auf die Ansage „da war eines mit komischer Karte und hohen Preisen“ sofort den Namen wusste. Wir waren aber gegenüber bei einem sehr leckeren Vietnamesen, und bekamen leckeres Essen, obwohl es an der Aussprache der Speisen haperte.