Mission erfüllt: Diagonale schafft den Oberligaaufstieg!
Insider wussten es schon länger. Der Aufsteiger aus der LL Hamburg würde dieses Jahr Diagonale Harburg heißen. Zwei Mannschafts- und etliche Brettpunkte Vorsprung vor dem Abschlusswochenende mit den letzten beiden Spielen würde für die Konkurrenz (=Union Eimsbüttel) nicht aufzuholen sein. Zumindest sagte so das Ligaorakel, das unsere Aufstiegswahrscheinlichkeit nach dem letzten Spiel mit über 99% bezifferte. Was für eine absurde Verkettung von unwahrscheinlichen Ereignissen müsste eintreten, damit eine Wahrscheinlichkeit von 1% wahr werden könnte? Man konnte ja mal rumspinnen: Die Konkurrenz müsste durchpunkten… Ein Leistungsträger bei uns müsste wohl ausfallen… und vielleicht ein weiterer… und noch einer… und das vermutlich alles in den letzten paar Tagen vor den Spielen, damit unsere Vorbereitungen auch gründlich durcheinandergeschüttelt oder gar nicht existent sein würden. Dann noch die Gegner in Bestbesetzung und voll motiviert, ja, in so einem Alptraumszenario wäre der sicher geglaubte Aufstieg gegebenenfalls noch in Gefahr.
Und dann gings los. Matthias musste absagen, Christian musste absagen, Daniel war zumindest Samstag nicht verfügbar (immerhin würde er Sonntag spielen können). Am Ende waren wir froh, dass sich für beide Spiele acht Mann zusammenfanden. Marten und Haschem sei Dank. Und was würden unsere Gegner tun? Nun, der HSK, unser erster Gegner, stellte einfach 1-8 auf, was einem Dwz-Schnitt von über 2100 entsprach (70 Punkte über unserem eigenen). Die starke Truppe des „weißen Ballets“- wie sie sich selbst nennen- war zwar nicht aufstiegsberechtigt, aber in der Tabelle nur einen MP hinter uns und sie wollten offensichtlich die Meisterschaft. Ein Selbstgänger sieht leider anders aus. Unsere Hoffnung auf fremde Schützenhilfe wurde uns auch früh getrübt, als Lutz Franke von Union seine Partie in rekordverdächtigen 6 Zügen und gefühlten 120 Sekunden gewann, als sein Gegner im Nimzoinder unglücklich die Züge d5 und b6 kombinierte und nach Da4+ nur noch entscheiden konnte, ob er Springer, Läufer oder Partie aufgeben sollte.
Schade, es wäre so viel einfacher, wenn man selbst nichts mehr zum Aufstieg hätte beitragen müssen…
Wie sah es also zwischendrin bei uns aus? Mein junger Gegner spielte entlang meiner Vorbereitung und ich glich bequem aus. Marten und Esmat sahen beide sehr solide aus. Etienne hatte einen spannungsgeladenen Königsinder. Haschem spielte eine Variante, in der man bereit sein muss, früh sein Läuferpaar aufzugeben, allerdings verpasste er es, sich als Kompensation dafür die bessere Struktur oder zumindest etwas Raum zu sichern. Stattdessen war es sein Gegner, der seine Bauern unterstützt von zwei Riesenläufern immer weiter vorschob und Haschems lange Rochade beschleunigte den schwarzen Angriff eher noch. Ohne Gegenspiel gab es da leider wenig zu machen. 0:1
Martin haderte nach seiner Partie mit seiner frühen Rochade, die sein Gegner nutzte, um mit f4-f5 gefolgt von g2-g4-g5 eine Art Traumkönigsinder mit vertauschten Farben zu bekommen. Jens-Ove spielte selbst einen königsindischen Angriff mit Weiß, allerdings ohne einen Bauern auf f4, sondern mit einem Läufer, der sich auch sogleich auf h6 opferte. „Mutig“ dachte ich mir, vom Nachbarbrett kiebitzend. „Idiotisch“ war Jens-Oves eigenes Urteil nach der Partie.
Sein Bruder hatte inzwischen mit nur 40 Minuten Verspätung sein Brett gefunden, nur um seine Eröffnung von seinem gut vorbereiteten Gegner widerlegt zu bekommen.
Martin ging in der Folge leider am Königsflügel unter. 0:2
Ich selbst stand vor der Wahl bei reduziertem Material einen Bauern zu gewinnen, der dem Gegner eine schöne Blockadestellung geben würde oder „trickreich“ das Material auf dem Brett und den Gegner etwas eingeschnürt zu lassen. Nun ja, ich wählte zweiteres, aber nur zwei gute Züge von meinem Gegner später hatte er alle Ideen abgewehrt und ich sah mich gewungen ins Remis abzuwickeln. 0,5-2,5
Bei Etienne bekam ich das Ende der Partie nicht richtig mit. Zwischendrin stand er wohl gut, aber am Schluss hatte sein Gegner das bessere Ende für sich. 0,5-3,5
Es sah nicht wirklich gut aus. Aber dann schlug Harburgs liebstes Bruderpaar zu.
Niels-Jorgen glich seine „positionelle Verluststellung“ (O-Ton seines Gegners, dessen Einschätzung ich mal vertraue) langsam aus, kreierte eigene Chancen, gewann einen Bauern und führte das Endspiel zum Gewinn. Kann man so machen.
Jens-Ove wirbelte mit seinen Figuren in der schwarzen Stellung herum und sah am Ende einen Trick mehr als der Gegner. 2,5-3,5
Spielten also noch Esmat und Marten. Wie so häufig, wenn noch zwei Partien eines Mannschaftskampfes laufen, spiegelten sich die Stellungen. Ungleichfarbige Läufer und Türme auf dem Brett. Eine Stellung Remis bis gewonnen, die andere Remis bis verloren. Zwischen 0,5 und 1,5 Punkten war alles möglich, auch wenn uns alles unterhalb von 1,5 wenig nutzte.
Marten kämpfte als ginge es um die Meisterschaft (achja, ging es ja auch) und hielt seinen Laden bärenstark zusammen! Esmat verwertete ihren Vorteil technisch stark und gewann! Am Ende also ein umkämpftes 4:4, das uns auf dem ersten Platz beließ. Nun würde in der letzten Runde gegen die punktlosen Barmbeker ein Unentschieden zum Aufstieg reichen.
Der Start lief sehr solide. Marten hatte nach seiner Kampfpartie vom Vortag keine Lust auf weitere 6 Stunden Schach und bot früh Remis, das sein Gegner akzeptierte. Wenig später sah ich dann, dass fälschlicherweise nur Martens König zur Ergebnismeldung in die Mitte des Brettes gestellt wurde. Als ich hinging, um den Fehler zu korrigieren, bremste mich Martin aus und erklärte mir, dass die Gegner einen falschen Namen in der Aufstellung eingetragen hatten und der Sieg damit am grünen Tisch an Diagonale fiel. Den Punkt nahmen wir natürlich mit Kusshand mit. 1-0
Apropos Martin. Der hatte in einem Sizilianer einen Phantombauern auf a6 gesehen und spielte daher Sb3 anstelle des normalen Sb5 in einem Sveshnikov-Sizilianer. Der Gegner wusste leider genau, wie das zu bestrafen war und spielte schnell und selbstbewusst die richtigen Züge, die zu einem Spiel auf ein Tor führten.
In den übrigen Partien gab es kreatives Spiel zu bewundern, einen großen Verdienst hatten die Barmbeker. Marten zählte zwei 1…Sc6-Spieler sowie einen Orang-Utan (also keinen Leibhaftigen, sondern 1.b4).
Dank unser Führung machten Daniel und Etienne Remis. 2:1
Martin trickste mit seinen Figuren gegen die schwarze Königsstellung, aber sein Gegner ließ nicht mehr viel zu und spielte einfach selbst auf Matt. 2:2
Liefen noch die ersten vier Bretter, an denen zwei Punkte reichen würden. Ich, Jens-Ove und Niels-Jorgen standen alle besser, nur Esmat machte Sorgen, da der Orang-Utan-Bauer weise dazu genutzt wurde, um die schwarze Struktur mit b4-b5 zu untergraben.
Niels-Jorgen gewann dann aber zu unser aller Erleichterung, während Jens-Ove Remis machen musste. „Er hat gekämpft wie ein Löwe“ lobte er seinen Gegner anschließend in höchsten Tönen. 3,5-2,5
„Remis reicht“ wurde mir zu diesem Zeitpunkt zugemurmelt und meine Stellung war zum Glück dermaßen gut, dass mein Gegner wohl auch ganz froh, dass ich bis auf die ungleichfarbigen Läufer alles vom Brett nahm. Esmat verlor ihre Partie, sodass ich beim Stand von 3,5-3,5 der letzte Spieler war. Da ich bei meiner Abtauschorgie noch einen Mehrbauern mitnehmen konnte, versuchte ich noch ein paar Züge lang zu gewinnen, aber die bangen Blicke des Teams deutend, bot ich dann doch schnell Remis, um den Aufstieg zu sichern und die Aufstiegsfeier nicht weiter zu verzögern:) Der sympathischen Truppe aus Barmbek gönnte man diesen Punktgewinn auch gerne, waren sie in dieser Saison doch nicht gerade vom Glück verfolgt.
Für uns krönte der Aufstieg eine klasse Saison. Danke an Matthias für die super Mannschaftsführung (und Martin, der am Wochenende das Amt übernahm) und alle Spieler (gerade auch die Ersatzspieler, auf die immer Verlass war). Hat wie immer viel Spaß mit euch gemacht! Nächstes Jahr beginnt dann das Abenteuer Oberliga Nord Nord:)
Christoph