Nanu?!

Die Ausgangslage war klar: gewinnt Dia 1 gegen Pinneberg, so ist das der Klassenerhalt, gewinnt sie nicht, dann bedeutet das nach 14 Jahren die Rückkehr in die Bezirksliga.

Zwar hatten wir uns vor der Runde noch Hoffnungen gemacht, dass nicht ganz unwahrscheinliche Schützenhilfen uns in jedem Fall in der Liga zu halten, aber da leider Wedel eine Pestsaison erwischt hat und auch gegen Altona nicht punkten konnte, war klar, dass wir selber noch einmal ranmüssten. Dass später auch noch Volksdorf einen Überraschungssieg beim HSK landen würde, soll hier nichts mehr zur Sache tun. Wir waren in unserer Staffel auf Platz 9 zurückgefallen, brauchten aber den besseren 8. Platz (den wir immer bekommen würden), um Stadtligisten zu bleiben.

Leider ist Pinneberg eine der stärkeren Mannschaften der Staffel während wir eine der schwächeren sind – bei Bestbesetzung ein Unterschied von mehr als 100 Schnitt-DWZ. Aber zumindest wir hatten eine Fast-Bestbesetzung schon zwei Wochen vor der Partie festgezurrt. Zwar würde Said arbeitsbedingt fehlen, dafür hatte Michael urlaubsbedingt Zeit, ihn zu vertreten. Zudem hielt sich Detlef für den Fall spontaner Ausfälle bereit. Mit dem Team können wir alles schaffen, außer Hochdeutsch.

Letztlich war dann aber doch eine Absage, Tobias erkrankte im Laufe des Tages, und die war für einen Ersatz zu spontan. Detlef hätte es wohl noch vor Ablauf der Karenzzeit nach Pinneberg schaffen können, aber unvorbereitet und abgehetzt, bei gleichzeitiger Aufgabe diverser anderer Vorbereitungen, wäre der Nährwert fraglich gewesen. Allerdings ist ein 0:1-Start, wenn man gewinnen muss, schon eine Hypotenuse. Oder so. Gibt halt Tage, an denen läuft es nicht.

Allerdings trat überraschend auch Pinneberg stark ersatzausgedünnt an, obwohl sie am selben Tag erfahren hatten, dass sie selber im Falle eines Sieges würden in die Landesliga nachrücken können, da Staffelsieger St. Pauli aus logistischen Gründen – drei Mannschaften in der Landesliga wären schon sehr viel – verzichtet. Und um die etatmäßigen Spitzenbretter aus dem Urlaub einzufliegen war das wohl auch zu kurzfristig. In der Summe waren wir im DWZ-Schnitt daher sogar im Wesentlichen ausgeglichen. Nur eben 0:1.

Und es wurde nicht besser. Martens Katalane gegen Jerry Ryan (1953) war bereits nach 12 Zügen hoffnungslos verflacht, sodass Schwarz Remis bot. Und nachdem auch nach längerem Nachdenken zwar viele spielbare Züge aber keine auch nur halbwegs brauchbare Idee, geschweige denn einen Plan, hervorbrachte, nahm Marten an. Theoretisch sogar zum 0,5:0,5, denn die Stunde Karenzzeit war noch nicht um. Und beide waren unzufrieden, zum einen mussten wir gewinnen, da ist ein frühes Remis bei Rückstand nicht dienlich, während Jerry natürlich auch gerne seinen DWZ-Vorteil ausgereizt hätte – und vor allem, wenn man schon einmal den Donnerstag Abend versaut, dann will man eigentlich auch eine Partie spielen.

Allerdings war Haschems Partie gegen Jürgen Hochreiner (1794) zu diesem Zeitpunkt schon angenehm – ein Mehrbauer plus Angriff gegen den König, das machte Hoffnung. Weniger schön dagegen die Stellung von Michael gegen Benedikt Vietze (1558), er war schön überspielt worden und gab einen Bauern, um wenigstens atmen zu können. Das entstehende Damenendspiel wäre auf höherem Niveau sicherlich eine Analyse wert, bei uns aber war es vor allem die Situation, dass Michael mehr Möglichkeiten hatte zu patzen.

Matthias hatte zu der Zeit gegen Bernhard Pill (2068) eine für mich leicht angenehmer scheinende Stellung, aber nicht besser als der Anzugsvorteil. Tareq und sein Gegner Dietrich Hawranke (1997) haben auch schon Züge gespielt gehabt, während Martin gegen Thomas Iwanow (1681) mit Schwarz das Heft des Handelns in die Hand genommen hatte, aber noch nichts irgendwie das Gleichgewicht gefährdendes herausgekommen war. Abschließend hatte Andrei gegen Viktor Kuhn (1747) eine ziemlich komplexe Stellung, die einzuschätzen den Mannschaftskameraden schwer fiel – Tareq und ich waren uns zum Beispiel über den Wert des Läufers auf f1 uneins. Alles in allem – bei viel unwägbaren Entwicklungsmöglichkeiten in beide Richtungen – Tendenz knappe Niederlage. Weswegen Matthias auch Remisangebote ablehnte.

Aber um die Unwägbarkeiten zu reduzieren, griff Haschem nun zu rabiaten Mitteln – ein Qualitätsopfer auf d6 eröffnete dem c3-Läufer einen Blick in die schwarze Rochade, und das erwies sich als eine Figur zu viel, kurze Zeit später konnte Haschem den Ausgleich vermelden. Und Tareq und sein Gegner einigten sich auf das zweite Remis des Tages, nach 2:10h (erstes nach 0:40h) und 11 Zügen (!). Tareq hätte einen Bauern gewinnen können, aber die gegnerische Initiative wäre stark, möglicherweise zu stark gewesen. Also 2:2 – Michael stand schlecht, Matthias, Martin und Andrei ordentlich aber ohne entscheidenden Vorteil. Wo sollte der benötigte ganze Punkt, oder besser zwei (Michael ausgleichen) herkommen?

Und nun kennen wir alle solche Tage, an denen auf einmal alles beginnt schiefzulaufen, was schief laufen kann. Heute wurde ab jetzt auch so einer – allerdings für Pinneberg: Michael hatte in bereits noch deutlicher als zuvor schlechterer Stellung auf einmal eine Art Gabelmöglichkeit – Matt oder Läufer. Und nachdem dann auch noch ein Damentausch erfolgte, war es ein Bauernendspiel mit Mehrfigur. Wenn man genügend Bauern auf den richtigen Linien übrig hat, ein leichtes, und Michael hatte. 3:2. Matthias nutzte die Gelegenheit, in immer noch aktiver Stellung nun doch Remis zu machen, denn sowohl Andrei als auch Martin hatten sich inzwischen je einen Mehrbauern gegönnt – Martin mehr strategisch, Andrei mehr taktisch – und sollten nur noch auf zwei Ergebnisse spielen. 3,5:2,5 und ein Punkt aus den beiden guten Stellungen würde reichen. Bliebe uns das Glück hold?

Ja. In Andreis Stellung war zwar stets viel in beide Richtungen möglich, sodass Andrei auch nie dazu kam, den hängenden Bauern a5 zu futtern, aber letztlich spielte sein Gegner einen Klimmzug zu viel und ausgerechnet – achten Sie auch in diesem Beitrag auf Sportreporterphrasen – der umstrittene Läufer f1 wurde zum Matchsieger durch letztliches Abholen eines Turmes. 4,5:2,5 – Klassenerhalt!

Dass Martin in sein klar besseres Endspiel noch einmal Luft hineinließ, bei reduziertem Material gar noch in mögliche Mattgefahr geraten sollte – geschenkt. Nicht zuletzt, weil die Luft auch wieder raus ging und am Ende ein Bauer durchmarschiert wäre, sodass sein Gegner auch nicht mehr wollte.

Letztlich konnten wir also zu siebt beim favorisierten Aufstiegsaspiranten ohne eine einzige individuelle Niederlage nicht nur den Klassenerhalt sicherstellen, sondern sogar einen Kantersieg von 5,5:2,5 einfahren – weil irgendwann all die Kleinigkeiten, die sich in Mannschaftskämpfen so ansammeln, zu unseren Gunsten kippten. Über eine Niederlage hätten wir uns noch nicht einmal so laut beklagen dürfen, auch wenn man es dem Ergebnis nicht ansieht. Allerdings nehmen wir das mal so hin, nächstes Mal läuft es ja auch schnell wieder andersherum (und tat das – in weniger extremem Maß – auch schon in vorigen Runden dieser Saison). Mit 7 Mannschaftspunkten sind wir nun der bessere Achtplatzierte geworden und haben ohne Schützenhilfe anderer Mannschaften in der letzten Runde aus eigener Kraft noch den Sprung ans rettende Ufer geschafft. Was übrigens den ersten Klassenerhalt einer Diagonale-Mannschaft in der Stadtliga seit 1989 bedeuten dürfte, sonst ging es immer nach oben oder unten weg. Ein Mal nach oben und drei Mal nach unten.

Alles ein bisschen überraschend, siehe Überschrift, und vielleicht wären „überraschend“ und „es läuft auch einmal alles richtig statt immer nur bergab“ auch in der Welt da draußen ein wenig wichtiger, aber man muss halt nehmen, was man bekommen kann.

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